Sika SCHÖNOX
Ist der Fugenschnitt ein Muss?

Ist der Fugenschnitt ein Muss?

Großformatige keramische Beläge und Naturwerksteine liegen im Trend. Insbesondere in Kombination mit Kleinformaten oder anderen Bodenbelägen, wie beispielsweise Parkett, bieten sie interessante Gestaltungsmöglichkeiten. Die Frage, ob diese großformatigen Beläge im Fugenschnitt verlegt werden müssen, ist aus Sicht der Autoren dieses Artikels eindeutigmit „nein“ zu beantworten, wohlwissend, dass diese Aussage pauschal ist. Ihnen ist jedenfalls kein Regelwerk bekannt, welches den Fliesenleger zu einer Verlegung im Fugenschnitt bei großformatigen Fliesen oder Platten verpflichtet. Was sagen die Regelwerke?

Was sagen die Regelwerke?

Bis heute besteht keine genaue Definition,was unter „großformatigen Fliesen und Platten“ zu verstehen ist. Auf der Suche nach entsprechenden Regelwerken kann der Fliesenleger zum heutigen Zeitpunkt lediglich auf die beiden technischen Merkblätter des Fachverbandes Fliesen und Naturstein „Keramische Fliesen und Platten, Naturwerkstein und Betonwerkstein auf beheizten, zementgebundenen Fußbodenkonstruktionen“ und „Keramische Fliesen und Platten, Naturwerkstein und Betonwerkstein auf zementgebundenen Fußbodenkonstruktionen mit Dämmschichten“ sowie auf die Bautechnische Information Naturwerkstein des DNV (DeutscherNaturstein Verband) „2.1 Fußbodenbeläge, innen“ zurückgreifen. Hiernach gelten Fliesen und Platten ≥ 0,10 Quadratmeter als Großformate. Das trifft bereits auf Fliesen im Format 33/33 Zentimeter zu.

Beide Merkblätter des Fachverbandes gehen mit folgender Formulierung auf diese Frage ein: „Es wird empfohlen, großformatige Fliesen und Platten sowie Natur- und Betonwerksteine >0,10 m² mit geradlinig durchlaufendenFugen (Fugenschnitt) und nicht mit versetzten Fugen (Verband) zu verlegen.“ Ebenso handelt es sich in der Bautechnischen Information des DNV unter Punkt 7.3.7 Plattenformate lediglich um eine Empfehlung: „Es wird empfohlen, Platten mit einem Seitenverhältnis> 3 : 1 zu vermeiden und geradlinig verlaufende Fugen zubevorzugen.“

Festhalten können wir an dieser Stelle bereits, dass die Fachliteratur dem Fliesen- oder Naturwerksteinleger keine nennenswerte Hilfestellung gibt. Er muss vielmehr selbst entscheiden, ob er dem regelmäßig von Kunden geäußerten Wunsch nach einer Verlegung im Verband mit versetzten Fugen nachkommen soll oder nicht. Dabei kann er nur auf seine persönlichen Erfahrungen zurückgreifen und muss das Risiko selbst abschätzen. Die oben genannten Empfehlungen helfen ihm dabei nur wenig, denn sie sind noch lange kein „Muss“. Dies macht die Argumentation gegenüber dem Kunden häufig umso schwieriger.

Natürlich ist es in diesem Fall auch nicht so einfach, eine „Muss-Bestimmung“ in einem Merkblatt zu formulieren, da die Anwendungen, Beläge, Flächengrößen und so weiter so vielfältig sind, dass es zwangsläufig zu stark unterschiedlichen Risikopotentialen kommt. So wäre es sicherlich auch nicht richtig, jegliche Verlegung großformatiger Fliesen und Platten im Verbandbereits im Vorfeld als gescheitert zu erklären. Allerdings sind hierfür sorgfältige Planung, gewissenhaftes Durchführen der Vorarbeiten und eine handwerkliche hochwertige Verlegung Voraussetzung.

Zur sorgfältigen Planung zählen in jedem Fall die Art und Beschaffenheit des Untergrundes (Typ, Ebenflächigkeit, Dehnungsfugen,beheizt oder unbeheiztund so weiter), die Art des Belagsstoffs (Keramik, Naturwerkstein, Kunststein) und die Maßhaltigkeit der Fliesen oder Platten (insbesondere die Ebenflächigkeit). Einbezogen werden müssen außerdem die Wünsche des Planers beziehungsweise Auftraggebers zur Art der Verbandsverlegung, Dehnungsfugenplanung und so weiter. Anhand dieser Informationen muss sich der Fliesen- und Naturwerksteinverleger für oder gegen eine Verlegung im Verband entscheiden. Das Risiko für seine Entscheidung trägt dann allein er als Auftragnehmer.

Vorsicht bei gespachtelten Gussasphalt-Estrichen
Der Fliesenleger muss bei der Untergrundbeurteilung unter anderem berücksichtigen, dass ein Gussasphaltestrich ein höheres Risiko birgt als ein unbeheizter Zementestrich. Die Ebenflächigkeit vieler Estriche reicht häufig für die Verlegung großformatiger Fliesen und Platten sowie Naturwerksteine nicht aus, so dass der Fliesenleger den Untergrund ausgleichen muss. In der Regel benützter hierfür zementäre Bodenausgleichsmassen. Auf Gussasphaltestrichen, dieThermo plaste sind, kann dies zueinem erhöhten Spannungspotential im Untergrund führen. Das Schadensrisiko bei einer Verlegung im Verband wird hierdurch deutlich erhöht, und zwar insbesondere dann, wenn dünne Naturwerksteine mit einer geringen Biegezugfestigkeit/Bruchkraftverlegt werden sollen, zum Beispiel „Kashmir White“.
Bei den gängigen mineralischen Untergründen, wie zum Beispiel Zement- oder Calciumsulfatfließestrichen, ist besonders auf die Erreichung der zulässigen Restfeuchte als Indiz für die Verlegereife zu achten. So bringt zum Beispiel eine zu frühe Verlegung auf Zementestrichen ein erhöhtes Risiko von Rissbildungen mit sich, da es zu konvexen Verformungen des Estrichs kommt.

Quadratische Formate haben höhere Bruchkraft
Oft kann es insbesondere bei Naturwerksteinen sinnvoll sein, statt eines rechteckigen ein quadratisches Format zu wählen, da die Bruchkraft bei quadratischen Formaten etwa doppelt so hoch ist (vergleiche u.s. Bild zur Bruchkraftberechnung). Vergleicht man die beispielhaft ermittelten Bruchkräfte, wird deutlich, dass insbesondere bei Naturwerksteinen die Auswahl des Materials eine sehr wichtige Kenngröße bei der Art und Durchführung der Bodenbelagskonstruktion ist. DasRisiko von Rissbildungen wird schon durch diese Entscheidung für ein quadratisches Format verringert.
Optisch können großformatige quadratische Beläge beispielsweise durch Diagonalverlegung oder die Kombination unterschiedlicher Formate aufgewertet werden. Zumindest bei Naturwerksteinen kann das gegebenenfalls vorhandene Risiko auch durch die Wahl einer größeren Dicke reduziert werden.

Mörtelverbrauch kann sich bei Großformaten erhöhen
Für seine Kalkulation sollte der Fliesenleger berücksichtigen,dass bei großformatigen Belägen der Mörtelverbrauch sich je nach Ebenflächigkeit der Fliesen, Platten oder Naturwerksteine deutlich erhöhen kann. Insbesondere rechteckige Formate weisen häufig in Bezug auf die Ebenflächigkeit eine deutliche konvexe Verformung auf, die an der oberen Toleranzgrenze liegt. Solche Fliesen oder Platten eignen sich nur eingeschränkt für eine Verlegung im Verband, da Überzähne nahezu unvermeidbar sind. Darüber hinaus erfordern sie einen deutlichen Mehrverbrauch an Dünnbettmörtel, um eine ausreichende Benetzung zu erzielen.
Welcher Dünnbett- und welcher Fugenmörtel für den jeweiligen Anwendungsfall der richtige ist, sollte mit dem Bauchemielieferanten abgestimmt werden. In jedem Fall sind kunstharzvergütete Dünn- oder Fließbettmörtel oder Mittelbettmörtel zu verwenden, die mindestens eine Verformbarkeit nach DIN EN12002 von ≥ 2,5 Millimeter (Verformungsklasse S1) aufweisen. Einzuplanen ist unter Umständen außerdem, dass man nicht jede Formatgröße im Floating-Verfahren verlegen kann, denn auch die für die weitgehend hohlraumfreie Verlegung entwickelten Dünnbettmörtel mit Fließbetteigenschaften haben ihre Grenzen. Ab einem Format von > 40/40 Zentimeter empfiehlt es sich, die Fliesen- oder Plattenrückseite mit einer Kontaktschicht zu versehen. Diese wird hierbei mit der glatten Seite der Zahnkelle aufgespachtelt.
Reicht die eingesetzte Zahnung nicht aus, um die jeweilige Fliese ausreichend zu benetzen, ist im Buttering-Floating-Verfahren zu arbeiten.
So ist gewährleistet, dass ein entsprechender Haftverbund –auch bei haftungsunfreundlichen Belägen – erreicht wird und Spannungen aus dem Untergrund sowie aus dem Belag aufgenommen werden können. Bei Schadensfällen mit großformatigen Fliesen und Platten sind häufig eine schlechte Benetzung der Rückseite und kaum zerdrückte Dünnbettmörtelstege festzustellen. Eine solcherart stark reduzierte Haftfläche kann logischerweise nur bedingt Kräfte und Spannungen aufnehmen.

Inwieweit Entkopplungssysteme unter großformatigen Belägen eingesetzt werden können, ist mit dem jeweiligen Anbieter der Systeme abzustimmen. Falls hierzu eindeutige Hinweise in den technischen Merkblättern fehlen, ist es ratsam, sich die Eignung objektbezogen schriftlich bestätigenzu lassen. Denn nach wie vor sind Entkopplungssysteme Sonderkonstruktionen und mit dem Auftraggeber gesondert zu vereinbaren.

Fazit

Schadhafte Flächen mit gerissenenund gebrochenen Fliesenund Platten oder Naturwerksteinen, die im Verband verlegt wurden, überwiegen nach Meinung der Autoren nicht. Es ist aber auch nicht korrekt, zu behaupten, es handelt sich bei diesen Fällen um seltene Ausnahmen.
Wie bei der überwiegenden Mehrzahl der Schadensfälle, die im Fliesenlegerhandwerk entstehen, sind die Ursachen vielfältig und können häufig nicht an einem einzigen Fehler festgemacht werden. Richtig ist jedoch, dass Spannungen aus dem Untergrund in einer im Verband verlegten Fläche häufiger zu Rissen und Hohllagen führen als in einer Fläche, die im Fugenschnitt verlegt wurde. Dort werden Spannungen besser über die durchgehenden Fugen abgebaut.
Großformatige Fliesen und Platten gehören zur Gestaltung von anspruchsvollen Bodenbelägen dazu. Das damit verbundene erhöhte Schadensrisiko sollte jedoch nicht allein dem Fliesenleger aufgebürdet werden. Eine Schnittstellenkoordination des Auftraggebers, Planers beziehungsweise Architekten sowiedes Fliesenlegers ist von Anfangan gefragt, um eine gute und durchdachte Planung und Ausführung sicherzustellen. Objektbezogene Lösungen sind allein aufgrund der Vielfalt der Beläge und Untergründe sowie nicht zuletzt der Nutzung notwendig.

Autor:
Antreas Keil
Produktmanager Fliesentechnik

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Das Buttering-Floating-Verfahren setzen die Fliesenleger ein, um in einem Geldinstitut diese Feinsteinzeugfliesen (120 x 60 x 1 Zentimeter) im Fugenschnitt auf einem Gussasphaltestrich zu verlegen.
Auf einer entkoppelten Unterkonstruktion wurden in diesem Ladenlokal auf dem Flughafen München kunstharzgebundene Platten von Objektstone im Format 60 x 60 x 1,2 Zentimeter im Fugenschnitt verlegt.

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Auch den grünen Portoschiefer im Format 60 x 30 x 1 Zentimeter verlegten die Fliesenleger mit einem weißen und schnellabbindenden Mittelbettmörtel im Halbverband. Der Untergrund in dieser Schule war ein Zementestrich.